Klimarettung ohne Kapitalismus

Ich freue mich, dass ich heute wieder auf der Nürnberger Montagsdemo sprechen kann. Unser heutiges Thema ist „Umwelt“.

Regierungsvertreter von 40 Staaten haben Anfang Mai beim sogenannten Klimadialog der Bundesregierung den nächsten UN-Klimagipfel vorbesprochen. Der COP28 wird dieses Jahr im Herbst tatsächlich in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) abgehalten, die weltweit unter den zehn größten Ölproduzenten sind.

Um rund 1,1 Grad Celsius hat sich das globale Klima inzwischen gegenüber dem vorindustriellen Niveau erwärmt. Laut Climate Action Tracker müssen in den nächsten sieben Jahren bis zu 22 Gigatonnen CO2 eingespart werden, also über die Hälfte der globalen Jahresemissionen, um unter der zwei Grad Erwärmung zu bleiben. Die Selbstverpflichtungen der Länder, die nur auf eine Begrenzung auf um 3 Grad hinauslaufen, werden u.a. vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges infrage gestellt. Beispiel Deutschland: Kohlekraftwerke werden wieder hochgefahren, in den Braunkohlerevieren gebaggert, und das Frackinggas aus den USA wird bereits freudig erwartet.

Der designierte Präsident des COP28 ist Al Jaber, Industrieminister der VAE und gleichzeitig Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc, der für rund 700 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr verantwortlich ist, das entspricht ungefähr den Emissionen der BRD.

Al Jaber spricht sich dennoch deutlich für den „Ausstieg aus fossilen Emissionen“ aus. Emissionen, nicht Energien. Denn er setzt auf Green Washing-Technologien, um fossile Energien rein rechnerisch emissionsfrei zu machen, zum Beispiel, indem man an anderer Stelle Kohlendioxid auffängt und unterirdisch speichert – Stichwort Carbon Capture and Storage (CCS) und CO2-Einfangen aus der Luft (Direct Air Capture, DAC). Technologien wie CCS oder DAC sind allerdings erst im Teststadium, teuer und ihrerseits energieintensiv, so dass sie für das Erreichen von unmittelbaren Klimazielen vollkommen unerheblich sind.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will die CCS auch in Deutschland erlauben. Pseudo-grüne Technologien wie E-Fuels oder wasserstofffähige Gasheizungen sollen gefördert werden. Anstatt das Verfeuern fossiler Rohstoffe zu stoppen, Anlagen abzuschalten, abzubauen, Energie zu sparen und umzustellen, stecken die Herrschenden ihre Energie lieber in Mittel und Wege, dem Kapital trotz eventueller Klimamaßnahmen Profite zu sichern. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch in Deutschland liegt aktuell nur bei 16 Prozent, weltweit sogar nur bei 7 %.

Sicher wäre es theoretisch möglich, die Profitwirtschaft durch Gesetze u.ä. So weit zu regulieren, dass CO2-Emissionen ausreichend gesenkt werden können, man könnte sie sogar umbauen. Aber gerade im heutigen Stadium des Kapitalismus gibt es kaum noch Spielräume, und die Klimawende erstickt an seinen Widersprüchen.

Selbst Details des ökologischen Umbaus scheitern an den immer engeren Grenzen des Systems. Beispiel Bahn: Nach Aussagen des Beauftragten der Bundesregierung für den Schienenverkehr, Staatssekretär Michael Theurer (FDP), wird es bis 2070 dauern, bis der „Deutschlandtakt“ umgesetzt ist. Bitter, wo es doch bereits im Frühkapitalismus möglich war, innerhalb von 40 Jahren (1840-80) 90% der heutigen Eisenbahnhauptstrecken zu bauen. Und nun braucht es über 40 Jahre für einen vernünftigen Fahrplan?

Beispiel Energetische Gebäudesanierung: Nur 3% der 41 Millionen Haushalte in der BRD nutzen Wärmepumpen, jeder zweite heizt mit Erdgas. 90% des Gebäudebestands ist vor 1990 gebaut worden und damit energetisch weit unter Standard. Hochrechnungen des Verbandes der Bauministerkonferenz von Bund und Ländern besagen, „alleine mit hocheffizienten Neubauten nach neuestem Standard wird es bei der aktuellen Neubau – und Modernisierungsquote von ca. 1% noch 100 Jahre dauern, bis der komplette Gebäudebestand auf heutige Standards angehoben ist.“

Das kapitalistische Schneckentempo ist nicht alternativlos. Effektive Sofortmaßnahmen und eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, CO2 zu sparen, energieintensive oder klimaschädliche Produkte, Produktionsweisen einzuschränken, abzuschaffen bzw umzustellen sind möglich – und notwendig, um die Menschheit zu retten. Doch dazu müssen wir die kapitalistische Profitmaschine durchbrechen und Energie-, Verkehrs- und Schlüsselunternehmen in öffentliches Eigentum überführen und unter demokratische Kontrolle der Beschäftigten stellen.

Allein das Energieeinsparpotential ist riesig. Mit 27,8% (630 Twh) machen Privathaushalte ein Viertel des Endenergieverbrauchs der BRD aus, davon über zwei Drittel, um Räume zu heizen. Vernünftige Isolierung kann viel bringen. Hinzu kommen Passivhausbauweisen, Ausstattung mit Solarpanels und Windkraft, Umrüstung zum Beispiel auf Wärmepumpen. Um schnell und umfassend energetische Sanierung umzusetzen, müssen Wohnungsbaukonzerne enteignet werden und die Sanierungsmaßnahmen in staatlicher Verantwortung systematisch durchgeführt werden – beginnend mit den Altbauten.

Der Verkehr macht mit 27,1% ein weiteres Viertel des Energieverbrauchs aus – 61% davon wiederum entstehen im Personenverkehr, 39% im Güterverkehr. Die Verkehrswende – weg vom Individualverkehr – kann relativ schnell gelingen, wenn der Staat statt in Subventionen des Autoverkehrs in Bahn und den öffentlichen Nahverkehr investiert, Strecken ausbaut auf Kosten des Autoverkehrs, massive Neueinstellungen und die Ausbildung von Fahr- und anderem Personal vornimmt – auch hier mithilfe der (ehemaligen) Beschäftigten der Autoindustrie oder der Speditionen, natürlich zu höheren Gehältern und besseren Arbeitsbedingungen.

Auf dem Land muss der Busverkehr sofort ausgebaut werden, hierbei können auch längst (wegen „Unrentabilität“) vergessene Konzepte wie Schienenbusse in den Blick genommen werden, um stillgelegte Strecken zu reaktivieren.

4,7 Milliarden Tonnen oder 154 kg pro Kopf und pro Tag werden in der BRD an Gütern bei außerbetrieblichem Transport durch die Gegend gekarrt. Das ist Ergebnis von irrationalen, aber profitablen Produktionsketten, Just-in-Time-Produktion ohne Lager und Abbau von Infrastruktur und damit längeren Wegen. Werden Produkte soweit möglich komplett am selben Ort hergestellt, und gelagert, wo sie gebraucht werden, würden viele Transportwege allein dadurch vermieden.

45% der Energie bundesweit werden in Industrie und Handel, sowie Dienstleistungen verbraucht. Während in anderen Branchen der Energieverbrauch seit 2012 etwas abgenommen hatte (bis zu 14,5%), so ist er in anderen, insbesondere im Bereich Kraftwagenproduktion um 14,7% gestiegen, unter anderem, weil die Autos immer größer und schwerer werden.

Es darf nur hergestellt werden, was auch wirklich gebraucht wird, und nur so, dass es möglichst gut und lange funktioniert. Als nächster Schritt muss der Bedarf ermittelt werden und ein entsprechender Produktionsplan aufgestellt werden. Hier geht es dann um die energiesparendere Produktion notwendiger Produkte.

Das alles kann nicht auf ein Land oder eine Region beschränkt bleiben, sondern muss international und global passieren. Selbst wenn dies mit sehr vielen Auflagen, Regulierung usw durchgesetzt würde – spätestens da kommt der Kapitalismus an seine Grenzen. Internationaler kapitalistischer Konkurrenzkampf – nun mit einem neu entbrannten Konflikt um die Neuaufteilung der Welt zwischen den Großmächten -, macht die Klimarettung unmöglich – obwohl, und gerade, weil die Anzahl der Länder und Regionen rapide wächst, aus denen Menschen fliehen, weil sie schon bald unbewohnbar werden.

In einer sozialistischen Gesellschaft wären nicht nur die Kosten für ein Klimaschutzprogramm kein Problem – das Vermögen der enteigneten Milliardäre wäre groß genug -, sondern auch die Organisation dieser gesellschaftlichen Aufgabe.

Der Kapitalismus wird niemals in der Lage sein, wirkliche technische Lösungen zu präsentieren, um die Auswirkungen der Klimaschädigung zu begrenzen oder gar zurückzudrehen. Ohne Konkurrenz dagegen, und durch internationale Zusammenarbeit in der Forschung, könnten langfristig möglicherweise auch Lösungen zum Abbau des CO2 in der Luft oder andere Wege gefunden werden, die Katastrophe zu begrenzen.

Es gibt keine Garantie, dass uns das im Sozialismus möglich sein wird. Aber es ist zumindest weitaus wahrscheinlicher, wenn die geballte gemeinsame Anstrengung der Wissenschaft, der Gesellschaft nach Lösungen forscht, und nur allein die Bedürfnisse von Umwelt und Mensch zählen.

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